Grusel, Geister und Horror gehören an Halloween dazu, keine Frage! Am 31. Oktober wird jedes Jahr alles ausgepackt, was anderen einen Schreck einjagt. Passend zu diesem gruseligen Anlass erzähle ich dir heute eine Horrorstory zum Thema Tragen: Alles rund um sogenannte Gruseltragen! Warum ich gegen den Begriff “Gruseltragen” bin und was du beachten solltest, um dein Baby sicher zu tragen, erkläre ich dir jetzt.

Vor den Haustüren und auch auf unseren Tellern leuchten Kürbisse, egal, ob als ausgehöhlte Halloween-Deko oder als leckeres Herbstgericht. In den Geschäften stapelt sich kurz vor Halloween das Gruselzubehör: Masken, Spinnen, Kostüme und allerhand Scherzartikel. Für uns ist das der richtige Moment, sich mit einem Begriff auseinander zu setzen, den du sicherlich schon einmal gehört hast und der sich sowohl unter Trageeltern als auch unter Trageberaterinnen und Trageberatern eingebürgert hat: das Unwort “Gruseltrage”.

Was ist eine Gruseltrage?

Unter “Gruseltrage” versammeln sich allerhand Tragen, die nicht dem Standard entsprechen, der sich in der Trage-Gemeinde eingebürgert hat. Tragen, die nicht perfekt sind – gruselig eben. In meinen Augen ist der Begriff “Gruseltrage” ein Unwort, das im Wortschatz einer Trageberaterin oder eines Trageberaters nichts verloren hat. Eigentlich hat es in keinem Wortschatz etwas zu suchen. Warum? Weil das Wort “Gruseltrage” etwas bezeichnet, das gar nicht existiert, denn ein Baby zu tragen ist niemals gruselig! Wer sein Baby am Körper trägt, hat schon einmal grundsätzlich etwas richtig gemacht, indem er oder sie sich zu dieser Art von Bindung entschieden hat. Doch dazu später mehr.

Ja, ich gebe zu, es gibt natürlich Tragen, die sich besser an die physiologischen Eigenschaften des Kindes anpassen lassen. Ebenso passiert es immer wieder, dass mir Kombinationen aus Trage, Baby und tragender Person begegnen, bei denen ich mir als Fachfrau denke: Ups, da ist noch Luft nach oben, das ginge besser. Aber eine Gruseltrage gibt es nicht!

So erkennst du eine vermeintliche “Gruseltrage”

Bleiben wir also in der Gruselwelt und begeben uns auf Geisterjagd. Vielleicht kommen wir den angeblichen Gruseltragen auf die Spur! Was haben alle Tragen, die als “Gruseltragen” bezeichnet werden, gemeinsam?

  1. Gesicht nach vorne: Eine Tragehilfe mit Face-out ist wohl der Inbegriff der sogenannten “Gruseltrage”. Das Kind blickt nach vorne und kann sich nicht an die tragende Person anschmiegen.
  2. Du kannst die Stegbreite der Trage nicht einstellen. Der Steg ist meistens relativ schmal und somit für ältere Kinder zu schmal.
  3. Das Rückenpaneel der Tragehilfe ist relativ starr und hat eine vorgegebene Form, die du nicht verändern kannst. Dadurch wird der Rücken des Traglings nicht gut gestützt.

Warum sind diese Tragehilfen gruselig?

Bei den drei genannten Eigenschaften der als Gruseltragen bezeichneten Tragehilfen geht es in erster Linie um die Gesundheit des Traglings. Punkt zwei und drei können sich negativ auf die körperliche Entwicklung deines Babys auswirken. Bei der Sache mit dem Gesicht-nach-vorne-Tragen ist der Sachverhalt ein wenig komplexer. Aber auch beim Face-out kann ich dir sagen, dass diese Tragevariante nicht oder nur sehr eingeschränkt zu empfehlen ist. Warum genau diese drei Aspekte den Ruf haben, gruselig zu sein, verrate ich dir jetzt.

Face-out: Warum sollte man nicht mit dem Gesicht nach vorne tragen?

Gegen diese Art zu tragen sprechen vor allem drei Aspekte:

  1. Bei den meisten Tragehilfen, die es ermöglichen, das Kind mit dem Blick nach vorne zu tragen, ist die Körperhaltung des Traglings nicht optimal.
  2. Wenn das Kind in Gehrichtung der tragenden Person getragen wird, wirken sämtliche Reize ungefiltert auf das Kind ein. Der Tragling kann sich nicht einfach wegdrehen.
  3. Oftmals wird damit argumentiert, dass die Kinder mehr sehen, wenn man sie mit dem Gesicht nach vorne trägt – eine Fehlannahme. Buzzidil hat dazu ein anschauliches Video in der Wiener Innenstadt gedreht. Hier kommst du zum Video auf YouTube.

Natürlich ist wie immer alles relativ und es kommt sowohl auf das Alter des Tragslings an als auch auf die Art der Umgebung, in der das Kind in Gehrichtung getragen wird. Ebenso spielt die Dauer eine Rolle. Wenn das Kind nur für kurze Zeit in einer ruhigen Umgebung mit dem Gesicht nach vorne getragen wird, fallen die Reize ganz anders aus als beim stundenlangen Bummel in einer überlaufenen Innenstadt.

Da das Thema so komplex ist, werde ich demnächst noch einen eigenen Beitrag dazu veröffentlichen. Wenn du dich tiefer mit dem Thema auseinandersetzen möchtest und Argumente für das Vorwärtstragen hören möchtest, dann kauf dir die Aufzeichnung des Webinars, das wir zu dem Thema hatten. 

Wie sollte der Steg bei einer guten Tragehilfe aussehen?

Der Steg einer Tragehilfe oder auch einer Tragetuchbindeweise ist der Bereich, der zwischen den Beinen des Kindes verläuft. Im Idealfall reicht dieser Steg von Kniekehle zu Kniekehle und stützt so die Beine des Traglings in der Anhock-Spreiz-Haltung optimal – egal, wie groß das Kind ist. Ist der Steg zu schmal, baumeln die Beine des Kindes nach unten und es muss das Gewicht der Beine selber halten. Ich vermute, du kannst dir vorstellen, dass das auf Dauer ziemlich unbequem ist. Sicherlich weißt du, wie es sich anfühlt, auf einem Fahrradgepäckträger mitzufahren oder länger auf einem Barhocker zu sitzen, der keine Fußstütze hat.

Wenn du den Steg der Tragehilfe richtig einstellst, lässt sich das Ganze mit einem bequemen Hängesessel vergleichen. So unterstützt du die gesunde Anhock-Spreiz-Haltung, die für eine gesunde Hüftentwicklung absolut wünschenswert ist.

Was wünschen wir uns vom Rückenpaneel der Trage?

Das Rückenpaneel ist der Teil der Tragehilfe, der den Rücken bedeckt und stützt. Idealerweise passt sich das Rückenpaneel faltenfrei an den Rücken deines Traglings an und verleiht ihm auf diese Weise den nötigen Halt, der Sicherheit beim Tragen gewährleistet. Je stärker und starrer die Form des Rückenpaneels ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Tragling nicht ausreichend gestützt wird. Im Worst Case sackt das Baby in der Trage zusammen und die Atmung wird beeinträchtigt. Mehr dazu erkläre ich dir am Ende dieses Artikels.

Warum gibt es eigentlich keine Gruseltragen?

Sicherlich denkst du jetzt: Moment, warum behauptet Isabelle denn zu Beginn, es gäbe keine Gruseltragen, und dann erklärt sie lang und breit, warum “Gruseltragen” nicht optimal sind? Dann würde es doch stimmen, dass diese Tragen zum Gruseln sind.

Ich habe dir zuvor erklärt, was eine gute Tragehilfe ausmacht, wenn ich den Fokus auf die gesunde Entwicklung des Kindes lege und welche Eigenschaften einer Trage dabei wichtig sind. Ich habe dir auch gezeigt, dass es Produkte auf dem Markt gibt, die diese Punkte nicht oder nur teilweise erfüllen. Bei einer Neuanschaffung – und das schließt gebraucht kaufen und ausborgen ein – würde ich ganz klar zur Anschaffung einer Tragehilfe raten, die bei der gesunden Entwicklung unterstützt und die Bedingungen einer empfehlenswerten Tragehilfe erfüllt.

“Gruselige” Tragen: Alles ist relativ

Schauen wir doch einmal im Duden nach: Das Verb “gruseln” wird definiert als “Grausen, Furcht empfinden; ängstlich schaudern; unheimlich zumute sein; erschauern”. Folglich wäre also eine Gruseltrage eine Tragehilfe, bei der man Furcht empfindet oder sogar Angst haben muss. Und das ist sicherlich nicht der Fall! Auch wenn ein Kind in einer sogenannten Gruseltrage getragen wird, gibt es keinen Grund, sich zu fürchten.

Der springende Punkt ist folgender: Babys zu tragen ist viel mehr als die genannten Punkte. Es gibt mehr Aspekte als nur die optimale körperliche Entwicklung des Kindes, die genauso wichtig sind, vielleicht sogar manchmal noch wichtiger.

Individuelle Bedürfnisse beim Tragen

Beim Tragen kommt es immer auf drei Komponenten an: auf das Kind, auf den Erwachsenen sowie die Situation, in der das Kind getragen wird. Jede dieser drei Komponenten bringt ganz individuelle Aspekte mit, die wiederum für ein buntes Gesamtbild sorgen, das je nach Einzelfall anders ausfallen kann. Dieses Puzzle setzt sich aus persönlichen Bedürfnissen, körperlichen Voraussetzungen, äußeren Einflüssen und nicht auch zuletzt aus dem Wissen der Entscheidungsträger und -trägerinnen zusammen.

Manchmal steht das Bedürfnis des Kindes nach Nähe im Fokus der Erwachsenen – Hauptsache tragen. Manchmal ist es die Tatsache, von A nach B gelangen zu müssen – Hauptsache mobil. Manchmal ist es der Wunsch nach einer freien Hand – Hauptsache, ich kann etwas trinken. Tausende von Wünschen, Bedürfnissen und Faktoren, die bei der Entscheidung einer jeder einzelnen Person eine Rolle spielen und zu einer bunten Welt des Tragens führen.

Was kommt dabei raus? Eine Vielfalt an Entscheidungen, welche Tragevariante individuell als optimal angesehen wird. Dabei spielt der Punkt, die kindliche Entwicklung optimal zu unterstützen, nicht immer die zentrale Rolle.

Ich möchte dir mit auf den Weg geben, dass wir als Außenstehende uns immer bewusst sein müssen, dass wir nur eine Momentaufnahme sehen und niemals alle Aspekte kennen, die zu dem Bild geführt haben. Was wir aber nie sehen können, ist ein Bild, das uns Angst machen muss, das zum Fürchten und zum Gruseln ist. Entsprechend können wir auch nie eine Gruseltrage sehen.

Was wir statt “Gruseltragen” brauchen

Tragen hat sich in den letzten Jahren zum Mainstream entwickelt. Es ist selbstverständlich für Eltern, das Baby zu tragen. Dementsprechend ist der Markt an Tragehilfen gewachsen, was aber auch bedeutet, dass es durch die größere Auswahl entsprechend schwierig geworden ist, sich als (werdende) Eltern eine gute und passende Tragehilfe auszusuchen.

Hier helfen dir gute und leicht verfügbare Informationen. Die erhältst du von Trageberaterinnen und Trageberatern, die dich unterstützen. Aber auch informierte Hebammen können werdenden Eltern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ebenfalls wirst du im informierten Fachhandel kompetent beraten. Und nicht zuletzt sind wohlwollende Tipps und Tricks von erfahrenen Eltern eine gute Quelle.

Was wir NICHT brauchen:

Was wir nicht brauchen: falsche Informationen und Unwörter.  Akompani legt großen Wert auf eine bedürfnisorientierte Beratung, auf einen wertschätzenden Umgang mit unseren Kundinnen sowie Kunden und vor allem auf eine positive Unterstützung der Eltern. Wir brauchen kein Mütterbashing, kein Elternbashing, sondern fundierte, positive Unterstützung. Macht also mit und streicht Unwörter aus eurem Wortschatz, damit Begriffe wie “Gruseltrage” und Co. bald ausgestorben sind!

 

Sicherheit beim Tragen

Ein kurzer Hinweis noch zum Thema Sicherheit beim Tragen. Ein Baby zu tragen ist dann sicher, wenn es nicht herausfallen kann und es jederzeit ausreichend Luft bekommt. Hier kommen wir zum Knackpunkt dieses Beitrags: Wenn ein Baby in einer Trage oder einem Tuch nicht ausreichend gestützt wird, kann es zusammensacken. Im schlimmsten Fall bekommt es dann nicht ausreichend Luft zum Atmen. Und das wäre dann definitiv ein Grund, um sich zu gruseln.

Mach den Selbsttest!

Ob dein Tragling ausreichend gestützt ist, kannst du für dein Baby ganz leicht jederzeit selbst überprüfen: Wenn du dich nach vorne lehnst, dann darf sich dein Baby nicht von deinem Körper wegbewegen. Bleibt es eng an deinem Körper, dann kannst du davon ausgehen, dass dein Kind ausreichend gestützt ist. Wenn du dann noch darauf achtest, dass das dein Kind mit seinem Kinn nie seinen eigenen Brustkorb berührt und dass du als tragende Person jederzeit das Gesicht deines Kindes sehen kannst, dann bist du schon sehr sicher unterwegs. Im Zweifelsfalls helfen wir dir gerne weiter.

Schreib mir deine Meinung
0 of 350
>