Das Thema Babytragen ist für viele Eltern emotional aufgeladen. Die Frage, ob das Tragen deines Kindes in einer „Face Forward“-Position (also mit Blick nach vorne) schädlich ist, sorgt oft für Unsicherheit. Vielleicht hast du dein Baby bereits in dieser Position getragen und fragst dich, ob das die richtige Entscheidung war. Oder du stehst kurz davor, es auszuprobieren, und möchtest gut informiert sein. In diesem Artikel erklären ich dir, welche Vor- und Nachteile das Tragen in der Face-Forward-Position hat, welche Alternativen es gibt und wie du die richtige Entscheidung für dich und dein Kind triffst.

Was bedeutet Face Forward eigentlich?

Face Forward bedeutet, dass dein Baby in der Trage mit dem Gesicht nach vorne zeigt während du es vor deinem Körper trägst. Diese Position ist besonders verlockend, wenn dein Baby anfängt sich vermehrt für seine Umgebung zu interessieren und gerne mehr sehen möchte. Du hast beide Hände frei und dein Baby kann die Welt entdecken. Klingt doch erstmal perfekt. Und ich denke das ist auch der Hauptgrund, warum viele Eltern diese Trageposition ansprechend und sinnvoll empfinden. Doch wie bei allem gibt es auch hier Vor- und Nachteile.

Die Nachteile des Face Forward-Tragens

  1. Reizüberflutung Dein Baby nimmt in der Face-Forward-Position sehr viele Eindrücke auf. Das kann schnell überfordernd sein, vor allem, wenn ihr euch an belebten Orten wie Einkaufszentren, Straßen oder auf Veranstaltungen aufhaltet. Babys können ihre Blickrichtung nicht bewusst steuern und müssen alle Reize ungefiltert aufnehmen. Dies kann Stress verursachen und zu Weinen oder Unruhe führen. Studien zeigen, dass übermäßige Reizüberflutung bei Babys negativen Einfluss auf deren Entwicklung haben kann (Quelle: American Academy of Pediatrics, 2017).
  2. Ergonomische Herausforderungen In der Face-Forward-Position wird die natürliche Haltung deines Babys oft nicht ausreichend unterstützt. Die Beine können nicht optimal abgespreizt werden, was die Hüftentwicklung beeinträchtigen kann. Die Internationale Hüftdysplasie-Initiative (IHDI) warnt davor Babys in einer "hängenden" Beinposition zu Tragen, da dies negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Hüfte haben kann. (IHDI, 2017).Auch für dich als tragende Person kann es unangenehm werden, da sich das Gewicht deines Babys in dieser Position ungünstig verteilt und dein Rücken sowie dein Beckenboden mehr belastet wird.
  3. Eingeschränkter Blickkontakt Der direkte Augenkontakt zwischen dir und deinem Baby wird in der Face-Forward-Position reduziert. Studien zur Bindung zeigen, dass Blickkontakt und die Wahrnehmung der elterlichen Mimik für die emotionale Entwicklung von Babys wichtig sind (Quelle: Bowlby, 1988). In der Front-Position fällt diese wichtige Kommunikation oft weg.
  4. Atemwegsbelastung Besonders bei Neugeborenen und kleinen Babys ist die Face-Forward-Position problematisch für die Atemwege, da der Kopf nicht optimal gestützt wird und das Baby möglicherweise in einer Haltung verbleibt, die die Atemwege blockieren kann. Das ist ein erhebliches Sicherheitsrisiko, besonders wenn dein Baby noch nicht stabil den Kopf halten kann oder wenn das Kind einschläft. Deswegen bitte niemals ein Kind ohne sichere Kopfkontrolle, ein müdes oder gar ein schlafendes Kind Face Forward tragen.

Die Vorteile des Face Forward-Tragens

  1. Erkundung der Welt Babys, die nach vorne schauen, erleben ihre Umgebung direkter und intensiver. Sie haben die Möglichkeit, die Welt um sich herum zu beobachten, Farben, Formen und Bewegungen wahrzunehmen und somit ihre visuellen Sinne zu entwickeln. Studien zeigen, dass visuelle Stimulation in den ersten Lebensjahren eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Gehirns spielt (Smith et al., 2020). Dieser Vorteil gilt auch beim Tragen am Rücken, wo dein Kind über deine Schulter nach vorne schauen kann.
  2. Erhöhung der sozialen Interaktion Wenn das Baby nach vorne gerichtet ist, kann es einfacher mit anderen Menschen in Interaktion treten. Dies fördert die soziale Entwicklung und stärkt die Bindung zur Außenwelt. Laut einer Studie von Paediatric Development Journal (2018) lernen Babys durch soziale Interaktionen, Gesichtsausdrücke zu erkennen und zu interpretieren, was wiederum ihre emotionale Intelligenz fördert. Diesen Vorteil kannst du alternativ auch durch das Tragen auf der Hüfte erreichen.
  3. Stärkung der Koordination In einer gut gestalteten Face Forward Trageposition ist dein Kind in der Lage aktiv zu greifen und seine Hände über kreuz zu führen. Dies kann einen positiven Effekt auf die Entwicklung der Koordination haben..

Tipps für das richtige Tragen in der Face-Forward-Position

Wenn du dich entscheidest, dein Kind Face Forward zu tragen, gibt es einige wichtige Dinge zu beachten:

  • Das richtige Alter: Warte, bis dein Baby seinen Kopf sicher halten kann und sich aktiv für seine Umwelt interessiert. Vorher sollte diese Position vermieden werden.
  • Zeitlich begrenzt: Trage dein Baby maximal 10-15 Minuten in dieser Position. Das hilft, Reizüberflutung zu vermeiden. Beachte dazu bitte auch die Angeben der Hersteller in ihren Gebrauchsanweisungen bzw auf deren Homepage.
  • Geeignete Umgebung: Vermeide laute und hektische Orte. Ein Spaziergang im Park ist ok, ein Bummel über eine Veranstaltung oder durch eine belebte Innenstadt bietet ein sehr hohes Risiko einer Reizüberflutung.
  • Die richtige Trage: Nutze eine ergonomische Trage, die auch in der Face-Forward-Position eine gesunde Haltung deines Babys unterstützt. Es gibt Modelle, die speziell für diese Trageweise konzipiert sind. Achte hier besonders aud die Position der Beine und die Position der Hüfte. Vor allem die grossen Hersteller wie Ergobaby oder Babybjörn haben in den letzten Jahren sehr viel in die Verbesserung ihrer Produkte investiert.
  • Auf dein Baby achten: Wenn dein Baby Anzeichen von Unwohlsein zeigt wie unruhiges Zappeln oder gar weinen – wechsle die Position.

Alternativen zur Face Forward-Position

Es gibt viele Möglichkeiten, dein Baby zu tragen, die sowohl ergonomisch als auch emotional vorteilhafter sein können und die ich persönlich dir immer eher empfehlen würde als Face Forward. Schlicht weil ich persönlich es nicht für sinnvoll halte ein Produkt anzuschaffen das du für max 10-15 Min pro Tag verwenden kannst, wenn du andere Produkte zur Hand hast, die dir die selben Vorteile mit weniger Nachteilen und ohne Zeitbeschränkung bieten. Hier sind einige Alternativen:

  1. Tragen auf der Hüfte: Beim Tragen auf der Hüfte hat dein Baby die Möglichkeit, zur Seite zu schauen und gleichzeitig Augenkontakt mit dir zu halten. Dies reduziert die Reizüberflutung und bietet eine ergonomischere Haltung sowohl für dich als auch für dein Kind. Tragen auf der Hüfte ist zudem eine sehr natürliche Trageposition, die die meisten Eltern ganz intuitiv in ihrem Alltag verwenden, wenn sie ihr Kind am Arm tragen. Warum also nicht das bewährte durch ein Tragetuch oder eine Tragehilfe bequemer, entlastender und handfrei gestalten. Tragen auf der Hüfte ist sowohl mit dem Tuch als auch mit den meisten Tragehilfen möglich. 
  2. Tragen auf dem Rücken Besonders bei älteren Babys und Kleinkindern ist das Rückentragen eine ausgezeichnete Alternative.Es ist aber grundsätzlich ab Geburt möglich so dass du jederzeit mit dem Rückentragen starten kannst.Dein Baby hat eine gute Sicht auf die Umgebung und das Gewicht wird gleichmäßiger auf deinen Körper verteilt. Dies ist besonders rückenschonend für dich und bringt für dein Kind die selben Vorteile wie das Face Forward-Tragen. Dein Rücken ermöglicht es ihm aber zeitgleich sich vor Reizen abzuschirmen, was eine Reizüberflutung minimiert.
  3. Tragen vor dem Bauch Die klassische Bauch-an-Bauch-Position bleibt eine Möglichkeit, dein Baby zu tragen. Solange dein Kind vor deinem Bauch zufrieden ist, ist die Belastung für deinen Körper der einzige limitierende Faktor. Insbesondere in stressigen Situationen, bei Krankheit oder zum beruhigen oder einschlafen bevorzugen auch viele ältere Kinder das Tragen vor dem Bauch.

Fazit: Tragen mit Bedacht

Ob Face Forward oder nicht – jede Trageposition hat ihre Vor- und Nachteile. Wichtig ist, dass du gut informiert bist und auf die Bedürfnisse deines Kindes und deine eigene Gesundheit achtest. Die Face Forward-Position kann für kurze Zeit und in geeigneten Situationen, mit einem wachen Kind, das seinen Kopf selber halten kann, eine tolle Option sein. Gleichzeitig bieten Alternativen wie das Tragen auf der Hüfte oder dem Rücken nachhaltige Vorteile für euch beide. Wichtig ist bei allen Trageweisen und allen Tragepositionen dass sie sicher und korrekt angewendet werden und du ein zu dir und deinem Kind passendes System wählst. 

Höre auf dein Bauchgefühl, beobachte dein Baby und passe das Tragen an eure individuellen Bedürfnisse an. So sorgst du dafür, dass die gemeinsame Tragezeit für euch beide angenehm und gesund bleibt.

Wenn du individuellen Rat brauchst, buch dir gerne eine online Trageberatung oder wende dich an eine Trageberaterin bei dir vor Ort.

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